Samstag, 28. Juli 2007

Was ist, wenn wir Geiseln nehmen?

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Sooft Veganer ihre omnivoren und vegetarisch lebenden Mitmenschen darauf hinweisen, dass für die Produktion von Eiern täglich Millionen männlicher Küken im Schredder landen (egal, ob Käfig- Volieren- oder Bodenhaltung), ernten sie neben einem "das ist ja schrecklich" nur Schulterzucken.
Veganismus? Nee!
Und wenn dann eine Holländische Performance-Künstlerin 61 Küken, die sowieso im Schredder gelandet wären, als Geiseln nimmt und die Öffentlichkeit vor die Wahl stellt, die Tiere freizukaufen, bevor sie von der Dame eigenhändig durch den Schredder gejagt werden?
Dann sind auf ein mal alle ganz erschüttert und auch, wenn kaum jemand die Tiere freikaufen will, so soll dennoch keins von ihnen sterben...


Küken in den Schredder?

Schon wieder erregt jemand in Amsterdam die mediale Öffentlichkeit! Katinka van Bruggen, Künstlername Tinkebell, hatte Aufsehenerrendes angekündigt.
Bis zu 61 klitzekleine Hähnchen-Küken wollte sie in der Öffentlichkeit durch einen Schredder jagen.
Am vergangenen Wochenende hatte sie bei Sale in Platform 21, dem Amsterdamer Centrum für Mode und Design, 61 männliche Küken zum Kauf von je 15 Euro angeboten. Save the males hieß ihr Projekt. Mit anderen Worten: mit 15 Euro sei ein Küken zu retten.

Wobei sie mit der Ankündigung Aufsehen erregte, die nicht verkauften Tiere wolle sie noch in der Ausstellung in den Schredder schmeißen oder gegen die Wand werfen. Doch so sehr sie auch Druck ausübte - nur 10 Küken wurde sie los. Jetzt brach der übliche Rummel los. “Wir waren total überrascht”, sagte Arnoud van Aalst, Sprecher von Platform 21. “Wenn wir das gewusst hätten, dann wäre sie nicht eingeladen worden.

Die Sache wurde noch dadurch kompliziert, dass Tinkebell uneinsichtig war und über drei Bodyguards verfügte, die eigentlich eventuell protestierendes Publikum fern halten sollten. Schließlich kaufte “Platform 21″ die 51 Küken auf und Tinkebell wurde von der inzwischen herbeigerufenen Polizei einkassiert. Es folgte ein 2,5 Stunden langes Verhör und nun droht ihr eine Anklage wegen Tierquälerei.

Und warum das Alles? Sie habe darauf hinweisen wollen, wie hypokriet die Welt sei: “Niemand tut etwas gegen den Tod von Millionen Tieren, aber wenn sie es live sehen müssen, dann geht es auf einmal nicht.” Vor Jahren stand sie schon mal in den Schlagzeilen. Damals brachte sie ihre “depressive” Katze um und bastelte sich aus deren Fell eine Handtasche. Damit “Pinkelte”, so hiess die Katze, immer dich bei ihr bleiben könne. Die Küken befinden sich inzwischen in einem Vogel-Asyl.
taz.de/blogs


Katinka van Bruggen beim Nähen einer "Katzentasche" (rechts)

So weit, so schräg... Dass die Frau einen an der Waffel hat, ist klar, sonst würde sie für ihre Art der "Aufklärung" andere Wege finden, als Katzen und Vögel zu ermorden, doch sie zeigt, wie erfolgreich die speziesistische Gesellschaft unbequeme Tatsachen aus ihren Köpfen und Herzen ausklammert.
"Es folgte ein 2,5 Stunden langes Verhör und nun droht ihr eine Anklage wegen Tierquälerei."
Das Schreddern muss man halt den Profis überlassen.
Der Verbraucher darf lediglich Leichen und Eier kaufen.
Je weniger er über das Schicksal und die eigentliche Summe seiner Opfer nachdenkt, desto besser...

Es ist einleuchtend, dass wir schon längst eine vegane Gesellschaft hätten, wenn alle Tierleidinstitutionen gläserne Wände hätten.
Doch müssen sie das? Ist es legitim, dass sich jeder Speziesist, der eigentlich bescheid weiß, im Geiste immer wieder eine schönere, für sein Gewissen erträgliche Version des Wahnsinns kreiert?
Auch Volieren- und Bodenhaltungsformen sind nicht das "Hühnerparadies" und das sollte sich ebenfalls jeder Konsument von Hennenmenstruationsprodukten immer wieder klar machen.



Mehr Bilder: Bodenhaltung Volierenhaltung












Sonntag, 1. Juli 2007

Eskimos, Löwen und vegan ernährte Hunde...

Wer nicht vegan leben will, beruft sich gern auf wilde Tiere, indigene Völker und anderen ethnische Gruppen, die zu den "Natur"- oder "Urvölkern" gehören. Viele leben seit der Völkerwanderung so ursprünglich, wie unsere Vorfahren.
Es gibt südamerikanische Stämme, Buschmänner und Papuas, die weder wie manch Eskimo über die Vor- und Nachteile industriellen und technischen Fortschritts verfügen, noch großflächigen Ackerbau betreiben.
Yanonamis leben im Regenwald, Papuas an Berghängen und Buschmänner in der trockenen Savanne. Wenn ich diesen Menschen vegane Grundethik abverlange, sollte ich davon ausgehen, dass sie über die Aspekte aufgeklärt sind.
Mit Massentiertransporten und Umweltzerstörung durch Massentierhaltung haben sie nichts zu tun.
Sie leben nicht den dekadenten Wahnsinn der Industriestaaten.
Ackerbau, Hülsenfrüchte, Tofu, Seitan und Sojageschnetzeltes sind ihnen fremd. Sie ernähren sich so, wie sie es gelernt haben und essen das, was ihnen in die Finger kommt.
Tierethik gab es schon zu vorchristlicher Zeit, doch sie kam immer nur dort auf, wo auch die Alternativen gegeben waren.
Und das ist der entscheidende Punkt. Es kann uns völlig egal sein, was diese Menschen machen, denn wir haben die Alternativen und die haben wir gefälligst zu nutzen.
Für riesige Rinderherden der "zivilisierten" Welt werden ihre Wälder abgeholzt und wenn wir jetzt noch darüber debattieren, sie in veganer Tierethik zu unterrichten und ihnen nen Bioladen in den Dschungel zu stellen, machen wir uns genauso schuldig, wie einst christliche Missionare.
Bei vielen Eskimos sieht die Sache anders aus. Sie leben inzwischen überwiegend in Kleinstädten mit Läden, in Häusern mit Internet, sie haben Motorschlitten, Motorboote und Gewehre...
Ein menschliches Tier ist nach seiner Umwelt, seinen Optionen und seiner Prägung zu beurteilen.
Dort, wo einstige Naturvölker bewusst die Vorteile der "Zivilisation" nutzen, können sie sich nicht mehr auf archaische Traditionen berufen.
Doch da so weit nördlich -ohne einen hohen Energieaufwand- keine autark betriebene vegane Ernährung gewährleistet werden kann und diese Menschen nach wie vor überwiegend von der Jagd leben, müsste man ihnen Raten, nach Süden zu ziehen.
Man müsste ihnen raten, aufzuhören, Eskimos zu sein.
Ich bin hier in Deutschland aufgewachsen und ich kann mich nur bedingt in einen Eskimo hineinfühlen, denn das Input, mit dem er aufgewachsen ist, unterscheidet sich stark von meinem.
Eine Diskrepanz, die mir untersagt, ihn zu verurteilen und die gleichzeitig jedem unvegan lebenden Menschen der westlich "zivilisierten" Welt das Recht abspricht, ihn als Beispiel oder Vorwand für eigenes Fehlverhalten zu benutzen.
Eskimos bilden in ihrer Ethik und in ihrem Weltverständnis einen eigenen Kosmos.
Ihr Leben und Handeln, hat nichts mit unserer Gesellschaft zu tun.

Dasselbe gilt für Löwen, Bären, Spinnen, Haie, Pottwale, Ameisen, Raubmöven und Pinguine.

Und was ist mit den Hunden und Katzen, für die Veganer fordern, sie vegan zu ernähren? Ist es nicht unnatürlich, ihnen kein Fleisch zu geben?
Dazu muss man erst mal fragen, was an unseren Haushunden und Hauskatzen noch natürlich ist.
Wir muten ihnen zuchtbedingte "Verstümmelungen" und Neurosen zu.
Kurze Beine, Glubschaugen, Schlappohren, kurzatmig, ständig am Sabbern...
Bulldoggen, Dackel, Pinscher, Nacktkatzen, Knautschnasen...

Sie sind unsere "Kreationen", praktisch, handlich, pflegeleicht...
Wir haben sie völlig denaturiert und ihnen schon lange ihre Würde genommen. Warum sollten wir dann bei ihrer Ernährung so tun, als hätten wir es mit Wolf und Falbkatze zu tun?
Sie sind kein Teil der Natur und sie essen seit Ewigkeiten das, was ihnen der Mensch von seiner unveganen Ernährung übrig lässt.
Vegane Hunde- und Katzennahrung enthält seit Langem alles, was Hund und Katze brauchen. Und das sind eben nicht Leichenteile, sondern Stoffe, die ihre natürlichen Vorfahren in Leichenteilen fanden.
Wer das ignoriert, schiebt diese Tiere genauso als Argument vor sein eigenes unveganes Verhalten, wie es andere Nichtveganer mit Naturvölkern und Löwen machen.
Wir müssen Hunde und Katzen genauso separiert betrachten, wie uns selbst, wie unsere Autos, Flugzeuge und Microchips.
Wir haben sie "kreiert", womit wir eine Verantwortung übernommen haben und wir haben die Pflicht, sie in eine vegane Grundethik miteinzubinden, statt andere Tiere für sie auszubeuten und zu ermorden.
So einfach ist das.

Siehe hierzu auch "Das Prinzip"

Schlunz

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