Donnerstag, 14. Januar 2010

Das Prinzip

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Omnivor und vegetarisch lebende Menschen stellen oft die Frage nach der vermeintlich "sanften" und "nachhaltigen" Form der Ausbeutung, während sie sich gegen industrielle Massentierhaltung aussprechen.
Dass allein ihr Denkansatz in nichts anderem, als in industrieller Massentierhaltung enden kann, will ihnen nicht in den Sinn.

Für mich hat sich die Frage danach, ob Hühnerbefreier die Eier ihrer Schützlinge verkaufen oder selber essen sollten, vor langer Zeit beantwortet.
Sie sollten es unterlassen, denn nur solange es Menschen gibt, die Eier als "Nahrung" betrachten, wird es Legehybriden in engen Käfigen und gesexte Küken geben, solange wird sich weder für andere Spezies noch für den Menschen etwas ändern.
Solange werden auch Menschen als "Besitz", "Ware" und "Produktionseinheiten" betrachtet...
"Solange es Schlachthäuser gibt, wird es auch Schlachtfelder geben" (Leo Tolstoi)
Hühnerbefreier, die Eier essen, drehen sich genauso im Kreis, wie jeder andere Mensch, der sich nur eine "Verbesserung der Umstände" wünscht.

Dazu ein alter Witz:
Ein weißer Siedler im tiefsten Kanada bereitet sich auf den Winter vor und geht in den Wald, um Holz zu hacken.
Gegen Mittag kommt ein Indianer vorbei.
"He, Indianer, wie wird das Wetter?"
"Recht kalt!" antwortet der Indianer.
Der Siedler beschließt daraufhin, mehr Holz zu hacken.
Abends kommt der Indianer wieder vorbei.
"He, Indianer, wie wird das Wetter?"
"Sehr, sehr kalt!"
Der Siedler ist beunruhigt und geht am nächsten Tag wieder Holz hacken.
Abends hat er Unmengen Holz gehackt und der Indianer kommt vorbei.
"Indianer, wie wird das Wetter?"
"Unbarmherzig kalt! Gibt härtesten Winter seit Menschengedenken..."
Der Siedler fragt: "Woher weißt Du das eigentlich?"
"Nun, immer wenn weißer Mann so viel Holz hackt, Winter wird sehr, sehr kalt."

Der Siedler und der Indianer halten einen Kreislauf im Gang, der auf einem Missverständnis beruht.
Und immer, wenn der Mensch Tierprodukte als "Nahrung" betrachtet, gibt es sehr, sehr viel Tierleid, auch dann, wenn sich die Zusammenhänge auf den ersten Blick nicht offenbaren ("Welchen Schaden sollten befreite Hühner denn davon tragen, wenn man ihre Eier isst?").

"Wenn aber keine weiteren Tiere gezüchtet und gehalten werden, dann sterben sie irgendwann aus. Das wäre doch ein weiterer krasser Eingriff in die Natur. Der Mensch verliert seinen Bezug zu den Tieren und es wird sich nichts ändern..."

Sofern es sich um Rassen und nicht um natürliche Arten handelt, also um "die Produkte menschlicher Kreativität", wohl kaum...
Diese Rassen wurden vom Menschen "kreiert und optimiert", je nach Bedürfnis...
Wenn man morgen eine neue Rasse züchtet, wird sie ihre "Liebhaber" finden, die dann genauso argumentieren.
Aussterben tut nicht weh, kein chinesischer Faltenhund wüsste, dass er der letzte seiner Rasse wäre.
Das Problem mit seinem Verschwinden hätten eher die "Liebhaber" dieser Rasse.
Dasselbe gilt für alle anderen "Nutz- und Haustierrassen".
Sich im Geiste von Tierhaltung jeglicher Art zu verabschieden, bedeutet nicht nur eine Annäherung an die Natur, sondern auch einen Abschied vom Egoismus.

Die einzige artgerechte Haltung ist die absolute Freiheit.
Dass diese Freiheit unseren Kreationen von "Nutz- und Haustieren" nicht gewährleistet sein kann, weil sie einfach nicht in die freie Natur gehören, ist klar.
Man plädiert hier also für einen Kreislauf, den der Mensch in Gang gesetzt hat und der sich nur innerhalb seiner Grenzen abspielen kann.
Jeglicher Versuch, dies zu relativieren, ist zum Scheitern verurteilt.

Dass der unvegane Bedarf der Massen von Menschen in Großstädten nie ohne "moderne Tierindustrie" stattfinden kann, sich aber jeder Tierleidkonsument unter dem Aspekt der vermeintlich "artgerechten Tierhaltung, die ja bestimmt irgendwie möglich ist", selbst belügt, liegt auf der Hand.
"Wenn man wollte, dann könnte man doch ... ich ess eh nur die Eier von den Hühnern meiner Oma ... und eine Welt ohne Haustiere kann ich mir nicht vorstellen..."

Die Frage lautet: Wie viel kann Mensch ausblenden?
Wenn ich mir nun alle überfüllten "Schweinemast-Anlagen", "Legebatterien", "Milchvieh-Betriebe", "Schlachthäuser", "Kuscheltierzüchtereien", "Tierheime" und in "Privathaltung" misshandelten Tiere vor Augen halte und diese in ihrer Masse mit jenen Tieren aufrechne, denen es in menschlicher "Obhut" wirklich "gut" geht, dann muss ich passen...
Das steht einfach nicht in Relation zueinander, egal, wie sehr man sich selbst was vormacht.

Ich halte es für legitim, befreiten Hennen, schwer vermittelbaren Hunden aus dem Tierheim und anderen Spezies ein vergleichsweise angenehmes Leben zu ermöglichen.
Sie sind nun mal existent...
Doch solange man seiner Umwelt das Signal sendet, dass es legitim sei, trotz gegebener Alternativen Tierprodukte zu konsumieren und nichtmenschliche Tiere gezielt zu züchten, hält man genau den Kreislauf im Gange, der Tierleid überhaupt erst ermöglicht.
Deshalb esse ich keine Eier, trinke keine Drüsensekrete, trage keine Kleidung aus Leder, Daunen, Seide, kaufe Körper- Kleidungs- und Raumpflegeprodukte, die frei von tierischen Inhalten und Tierversuchen sind und vermeide prinzipiell den Kauf von Tierprodukten, auch wenn es den "Produzenten" vergleichsweise "gut" gehen sollte...

Es gibt Menschen, die halten dieses Prinzip für "Dogmatismus".
Ich halte es für genauso selbstverständlich, wie den prinzipiell respektvollen Umgang, den andere Menschen von mir erwarten...


LG, Schlunz





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