Freitag, 8. August 2008

Ich bin kein Tierfreund

Um jemanden nicht umzubringen, muss ich nicht sein Freund sein.

Freundschaft ist ein schweres Wort.
Freundschaft will geprüft sein.
Sie entsteht meist über viele Jahre, in denen sie von beiden Seiten durch Einsatz und Hingabe bestätigt wird, bis sie ihre Wertigkeit erhält.
Freundschaft beinhaltet Vertrauen und Offenheit.
Bis dahin reden wir von "Kumpels", von "Bekannten" oder "potenziellen Freunden".
Tun wir das nicht und bezeichnen jemanden als Freund, den wir gerade erst kennen gelernt haben, so nehmen wir diesem Individuum sein Mitspracherecht.
Vielleicht weiß dieser Jemand gar nicht, wie er uns einschätzen soll, ob man uns vertrauen kann und ob das Wort "Freundschaft" nicht nur eine leicht dahingesagte Floskel ist.
Vielleicht passt diesem Jemand unsere Einstellung nicht, ethisch, sozial, politisch, theistisch...
Deshalb sollte Freundschaft immer beiderseitig besiegelt werden.

Wir definieren Freundschaft über Loyalität, Einsatz, Verständnis und Hingabe, nicht über Smalltalk und Oberflächlichkeiten.
Insofern bringt mein Hund bis auf das tiefere Verständnis doch viele Eigenschaften mit, die eine Freundschaft bestätigen.
Auch, wenn ihm jegliche Definition egal ist, sage ich mal: "Wir sind Freunde".
Und nun? Nun stehe ich unter der Verantwortung, ihn nie zu verarschen, immer für ihn da zu sein, ihn nicht im Stich zu lassen...
Diese Verantwortung sieht er für sich selber nicht. Für ihn gibt es nur das hier und jetzt und keine Definition der Freundschaft, die sich über Verantwortung und Schuld definiert.
"Freundschaft" ist hier insofern ein wackeliger Begriff.
Der Eine weiß eventuell nicht, ob er sie immer aufrechterhalten kann, der Andere weiß nicht mal, was das ist.

Dennoch fühle ich Freundschaft für meinen Hund und genauso tue ich es mit Menschen.
Warum empfinde und teile ich dieses Gefühl?
Weil ich diese Individuen kenne und sie mich kennen.
Ich habe ihre Eigenschaften kennen gelernt und ich habe Positives mit ihnen Erlebt, das eine freundschaftliche Definition rechtfertigt.
Wie sieht es mit anderen Menschen aus?
Bin ich ein Freund von George W. Bush? Von Schäuble, Merkel, Steinmeier und Koch?
Wollen die meine Freunde sein?
Hmm... Waren nur ganz wenige Beispiele... Man kann zwischen Diktatoren und Massenmördern seiner Phantasie freien Lauf lassen oder sich einfach klar machen, wieviele Leute man nicht leiden kann.
Die Welt ist groß.

Bin ich ein Menschenfreund?
Bist Du ein Menschenfreund?

Was ist mit dem Hund der Nachbarn, der die ganze Familie im Griff hat und jeden Menschen im Haus anknurrt?
Ich gestehe mir zu, dass es auch nichtmenschliche Tiere gibt, die ich nicht leiden kann.
Da stimmt einfach die "Chemie" auf beiden Seiten nicht und das sollte man genauso akzeptieren, wie man es zwischenmenschlich tut.
Das spüren Mensch, Hund, Katze, Maus sehr schnell und sie gehen sich aus dem Weg.

Was ist mit dem Käfer, den ich aus Versehen platt trete?
Will der mein Freund sein?
Und was ist mit den Milliarden "Nutztieren", die sich für meine Spezies die Beine in den Bauch stehen, bis sie deputiert und hingerichtet werden?
Wollen die alle meine Freunde sein? Ich denke, die haben andere Probleme...

Bin ich ein Tierfreund?

Schon allein deshalb, weil ich sie nicht alle aus ihrer Hölle befreien kann, bin ich nicht ihr Freund.
Ich bin lediglich für jedes Individuum ein potenzieller Freund, der Rest ist Sache der äußeren Umstände und des freien Willens auf beiden Seiten.
Ansonsten ist "Freundschaft" nur eine Floskel...
Deshalb lehne ich die Verallgemeinerung "Tierfreund" ab.
Schnell dahingesagte schwere Worte, von Menschen abgenutzt, die Tag für Tag Tiere ausbeuten.




Schlunz